Einführung Teil 2

Parallele Realitäten

 

 

 

"Wir sehen alles unterschiedlich."

 

Realitätenkellner dieser Einführung: Olaf Jacobsen

Hier kannst du die Folien der gesamten Stunde in einem Stück als PDF-Datei herunterladen:  pdf

 

 

Herzlich willkommen zum zweiten Teil.

Im ersten Teil habe ich erzählt, wie frei Ihr Euch während der Schulungsstunden verhalten und wie Ihr Euch empathisch um Euren Lernprozess kümmern könnt. Des Weiteren habe ich verdeutlicht, wer für welchen Zweck den anderen unterbrechen darf, damit das Ziel "Immer-empathischer-werden" gemeinsam erreicht werden kann. Außerdem habe ich Euch die ersten vier Übungen vorgestellt, das Empathie-Fundament von NeuroSonanz auf den Alltag zu übertragen.

 

Unsere vier Empathie-Säulen

Nun beginnen wir mit der Empathie-Schulung (wobei die "Verhaltensregeln", die wir im ersten Teil besprochen haben, auch schon zur Empathie dazugehören ...).

 

Was bedeutet der Begriff "NeuroSonanz"?

In der Einführungsveranstaltung direkt vor Ort erläutere ich den Begriff an dieser Stelle. Auf dieser Website kannst du die Erklärung dazu HIER nachlesen.

 

Was bedeutet für uns der Begriff "Empathie"?

In der Einführungsveranstaltung direkt vor Ort erläutere ich den Begriff an dieser Stelle. Auf dieser Website kannst du die Erklärung dazu HIER nachlesen.

 

Bei uns ist der Begriff "Empathie" ein Überbegriff aller Empathie-Definitionen, die wir Menschen anwenden. Alle Definitionen gehören dazu.

In der Empathie-Schule NeuroSonanz konzentrieren wir uns auf die von Olaf Jacobsen definierten "Vier Säulen der Empathie":

 

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1. Verständnis für sich selbst

Wir wollen uns selbst immer besser verstehen lernen, unsere Gefühle, Gedanken und Verhaltensmuster. Welche unbewussten Ziele stecken dahinter? Je besser wir uns selbst verstehen, desto besser können wir auch Zusammenhänge in anderen Menschen nachvollziehen.

Zu diesem Verständnis zählen wir auch das "Sich-selbst-fühlen-Können". Je besser wir in uns selbst hineinfühlen können oder je besser wir in unseren Körper hineinfühlen können, je besser unsere Empfindungen für uns selbst sind, umso besser verstehen wir uns und unseren Körper.

2. Resonanz

Wir wollen immer klarer die Resonanz in unserem Gefühl zu anderen Menschen fühlen können. Wie wollen uns in unserem Gefühl von anderen Menschen "anstecken" lassen. Und wir wollen diese Resonanz gut von unseren eigenen Gefühlen unterscheiden lernen. Je klarer die Resonanz, desto klarer unsere Fähigkeit des Nachfühlens, desto klarer unser Einfühlungsvermögen in andere Menschen.

3. Verständnis für andere

Wir wollen immer besser andere Menschen verstehen können, mit unserem Verstand logisch erklären können, was die Ziele des anderen Menschen sind, was hinter seinen Verhaltensweisen und Entscheidungen steckt und warum seine Ziele zu ganz bestimmten (Ab-)Wertungen führen.

4. Das liebevolle, mitfühlende Umgehen mit dieser Resonanz und diesem Verständnis

Wir wollen trainieren, mit unserem Selbstverständnis, mit unserer Fähigkeit zur Resonanz als auch mit unserer Logik insgesamt mitfühlend und liebevoll und gewaltfrei umgehen zu können. Wir wollen ein "prosoziales" Verhalten ausbauen.

Zusätzlich kombinieren wir diese vier Punkte mit intensiver Zufriedenheit. Empathie soll also nicht unsere eigene Zufriedenheit eingrenzen, sondern im Gegenteil die Zufriedenheit und damit auch unsere Lebensfreude zur vollen Entfaltung bringen.

 

Die Teilnehmerin Andrea hat folgende Analogie als "Eselsbrücke" zum Merken dieser vier Säulen vorgeschlagen:

"Ich komme zu einer Aufstellungsveranstaltung (z. B. Freie Systemische Aufstellungen), fühle mich gut mit mir selbst, kenne meine momentanen Ziele, verstehe mich, bin mit mir im Reinen oder verstehe, warum ich gerade nicht mit mir im Reinen bin (= Verständnis für mich selbst).

Ein anderer Mensch stellt ein Problem verdeckt auf (= ohne zu erzählen, um welches Problem es sich handelt) und ich stehe als Stellvertreter zur Verfügung und fühle mich mit Hilfe meines Gefühls in die Stellvertreterrolle ein, die mir zugewiesen wurde (= Resonanz).

Anschließend deckt derjenige auf und erzählt das Problem. Dadurch kann ich bewusst - mit meinem Verstand - nachvollziehen, was das Problem dieses Menschen ist (= Verständnis für den anderen).

Und nun versuche ich, ihm einfühlsam bei der Lösung des Problems zu helfen - mit Hilfe meines Verständnisses für mich selbst, meines Resonanzgefühls zu ihm als auch meines Verstandes (= mitfühlender und liebevoller Umgang). Dies mache ich gerne und mit einer inneren Zufriedenheit. Wenn ich sogar noch erfolgreich helfen konnte und es dem anderen nun besser geht, verstärkt dies meine Zufriedenheit noch einmal."

 

Resonanz ist stärker als Glücksgefühle oder Freiheitsgefühle!

Ich biete die Realität an, dass dies immer gilt.

Wenn ich mich mit mir selbst glücklich fühle und ich stehe dann im Kontakt mit einem anderen Menschen, dem ich für sein Problem zur Verfügung stehe, dann fühle ich die Resonanz zu seinem Problem. Ich nehme sein Problem in meinem Gefühl wahr - spüre also Ungleichgewichte. Mein Glücksgefühl ist dann erst einmal nicht mehr spürbar.

Das ist vollkommen natürlich. Warum?

Zur Verdeutlichung ein Beispiel mit unseren Augen: Wenn ich mit meinen Augen auf eine farbige Fläche schaue, vielleicht auf ein schönes Hellblau, dann nehme ich auch Hellblau wahr. Sage ich dann aber zu mir, dass ich orange sehen will und schaue weiter auf das Hellblau, dann nehme ich auch weiter das Hellblau wahr.

Erst wenn ich meine Augen auf eine orangene Fläche richte, kann ich orange wahrnehmen.

Oder ich schließe die Augen und stelle mir in Gedanken "orange" vor.

 

Übertragen auf unsere Gefühlswelt:

Bin ich gefühlsmäßig im Kontakt mit dem Problem eines Menschen, dann nehme ich dieses Problem (Hellblau) in meinem Gefühl auch wahr (= Resonanz). Will ich aber Glück (Orange) wahrnehmen und bleibe weiterhin in Kontakt mit dem Problem (Hellblau) des anderen, dann nehme ich in meinem Gefühl auch weiterhin das Problem (Hellblau) wahr - und nicht das Glück (Orange).

Erst wenn ich Kontakt zu einem glücklichen Umfeld (Orange) herstelle, nehme ich auch Glück (Orange) in meinem Gefühl wahr. Oder ich distanziere mich innerlich von meinem problematischen Umfeld (wie beim Augenschließen) und stelle mir dann mein Glück in Gedanken vor, das ich dann auch fühlen kann.

Ich kann darüber zufrieden sein, intensiv mit einem anderen Menschen in Resonanz schwingen zu können, auch wenn es eine problematische Resonanz sein sollte. Ich fühle dann zwar nicht direkt Freude, sondern ich fühle die problematische Resonanz. Aber ich kann dem zustimmen und bin damit in tiefem Frieden = tiefe Zufriedenheit über die Verbundenheit.

 

Empathie sehen wir nicht als eine Wissenschaft, sondern als eine Kunst!

Es gibt keine wissenschaftlichen Tests, keine objektiven Maßstäbe, mit denen Empathie "gemessen" werden kann. Empathie wird immer subjektiv beurteilt. Deswegen bieten wir in dieser Empathie-Schule folgende Sichtweise an:

 

Wenn Ihr Euch fragt: "Wann habe ich denn mein Ziel erreicht und bin empathisch? Wann habe ich die Empathie-Prüfung bestanden? Gibt es eine Jury, die mir bescheinigt, mein Empathie-Ziel vollständig erreicht zu haben?"

Dann antworte ich: "Empathie wird immer wieder neu erarbeitet. Es gibt dafür nur zwei Jurys: Einmal du selbst und einmal dein Gegenüber, mit dem du gerade in Kontakt stehst."

 

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Was ist unser Maßstab? Wann können wir sagen: "Ziel erreicht!"? Wann haben wir volles Verständnis für uns selbst, können mit dem anderen in Resonanz fühlen, verstehen den anderen, gehen mitfühlend mit allem um und haben dabei vollkommene Zufriedenheit?

Der Maßstab für das Verständnis für sich selbst als auch für die vollkommende Zufriedenheit liegt in jedem Menschen selbst. Wann wir dieses Ziel erreicht haben, können wir uns nur selbst beantworten.

Der Maßstab für Resonanz mit dem anderen und Verständnis für den anderen, liegt jeweils in dem Menschen, zu dem wir eine Empathie herstellen wollen. Nur der andere kann uns bestätigen, dass wir gerade genauso fühlen wie er fühlt und dass wir ihn verstanden haben.

Der Maßstab für den mitfühlenden, liebevollen, integrierenden Umgang liegt sowohl im anderen als auch in uns selbst. Der andere kann uns bestätigen, dass wir liebevoll sind, und/oder wir selbst können uns bestätigen, dass wir gerade sehr freundlich und liebevoll und mitfühlend waren. Optimal ist natürlich, wenn beide sagen: "Ja, das war sehr mitfühlend und liebevoll."

 

Weil die Maßstäbe nur in unserem Gegenüber und in uns selbst liegen, wissen wir, dass es keinen objektiven Endpunkt gibt, an dem man sagen kann: "Jetzt bin ich grundsätzlich empathisch" oder: "Jetzt bin ich ein Empath." Deswegen kann es auch nicht Ziel der Empathie-Schule sein, an irgendeinem Punkt eine Prüfung anzubieten, die man entweder besteht oder durch die man durchfällt. 

Die Prüfungen, die es im Alltag immer wieder neu gibt, sind die Fragen an sich selbst:

"Verstehe ich mich gerade selbst?"

"Gehe ich gerade mitfühlend und liebevoll mit dem anderen und/oder mir selbst um?"

"Fühle ich gerade vollkommene Zufriedenheit?"

Und die Fragen an unser Gegenüber, zu dem wir eine Empathie leben wollen:

"Fühle ich gerade so wie du fühlst?"

"Fühlst du dich von mir verstanden?"

"Hast du das Gefühl, dass ich gerade mitfühlend und liebevoll mit dir umgehe?"

 

Wir bieten in der Empathie-Schule an, in einen Entwicklungsprozess in Richtung "immer empathischer" einzusteigen. Ziel: Immer öfter auf die oben aufgeführten Fragen ein "Ja!" als Antwort zu erhalten.

Wie weit man sich in diese Richtung entwickeln möchte, entscheidet jeder Studierende eigenständig.

 

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Die Sichtweise, dass Empathie immer nur mit "Öffnung" und "Ehrlichkeit" zu tun hat, veranlasste mich zu einer erweiterten Sichtweise: Es ist für manche Menschen genauso wichtig, sich immer besser schützen oder zurückhalten zu können, um letztendlich empathisches Verhalten zu entwickeln. Denn je "sicherer" sich jemand fühlt und je besser er sich abgrenzen kann, umso klarer kann er sich in andere einfühlen, ohne sich dabei selbst zu verlieren.

Ich lade dazu ein, beide Extreme mit zu berücksichtigen. Deswegen gebe ich diesen Hinweis (s.o.).

Zusammenfassend könnte man sagen, dass der Weg immer ein "achtsamer" Weg ist. Entweder achtet man auf den anderen oder auf sich selbst oder auf beide. Man ist insgesamt achtsam - ob offen oder sich schützend.

 

 

Die unterschiedlichen "Rahmen" unserer Gehirne

Als nächstes werde ich Euch eine weitere Grundlage dieser Empathie-Schule vorstellen: 

Jeder besitzt sein "eigenes" Gehirn und nimmt die Welt ganz individuell wahr. 

Auch die Verarbeitung der Wahrnehmung geschieht individuell. 

 

Wir werden uns mit Täuschungen des Gehirns auseinandersetzen, mit subjektiver Weltgestaltung, mit Projektionen. Das Ziel dabei soll sein, einen Anreiz dafür zu erhalten, wie unterschiedlich wir Menschen die Welt und auch uns gegenseitig wahrnehmen - und wie stark dadurch Missverständnisse genährt werden.

Wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass ein anderer Mensch uns versteht, wenn wir ihm etwas erzählen? Und wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass wir den anderen verstanden haben? 

Das Bröckeln dieser Selbstverständlichkeit erschafft neue Räume und neue Sichtweisen aufeinander, auf die Welt und auf sich selbst.

 

Zunächst möchte ich Euch ein paar optische Täuschungen anbieten, mit denen Ihr Euch einmal beschäftigen könnt, wenn Ihr es wollt. Im Internet findet Ihr folgende faszinierende Täuschungen:

www.sehtestbilder.de/optische-taeuschungen-illusionen

www.r-ene.de/optischetaeuschungen/sonstiges

Gib bei Google "Optische Täuschungen" ein, klicke auf "Bilder" und beobachte, was dir dort begegnet.

 

Hier möchte ich Euch folgende Täuschung zeigen. Als Erstes seht Ihr eine Fläche, die von links nach rechts immer heller wird.

 

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Und nun stelle ich Euch eine Fläche vor, die in ihrem Grauton immer gleich bleibt.

 

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Ich schneide aus dieser gleichmäßigen Fläche einen dünnen Streifen aus und positioniere ihn über der ungleichmäßigen Fläche:

 

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Man kann im Moment noch erkennen, dass dieser Streifen gleichmäßig grau ist. Wenn ich aber genau diesen Streifen in der Mitte der ungleichmäßigen Fläche positioniere, erscheint er in unserem Gehirn umgekehrt ungleichmäßig. Er scheint links hell zu sein und nach rechts dunkler zu werden - hat aber in Wirklichkeit immer noch genau die gleiche Farbe wie oben. Decke an deinem Computerbildschirm mit zwei Blättern Papier die obere und die untere Hälfte ab und schau dir nur den mittleren Balken an, dann hast du den Beweis.

 

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Bei der folgenden optischen Täuschung habt Ihr die Wahl, ob Ihr einen schrumpeligen ungleichmäßigen weißen Kelch seht oder ob Ihr rechts das Profil meiner Frau Jacqueline und links das Profil von mir sehen wollt.

 

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Hier unten stellt sich die Frage: Sind die beiden mittleren Kugeln gleich groß? Antwort: Ja.

 

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Fazit: Unsere Wahrnehmung hängt von dem Rahmen ab, in welchem wir eine Sache wahrnehmen.

 

Es gilt auch: Wir bestimmen (absichtlich oder unabsichtlich) in unserem Gehirn den Zustand / den Rahmen, in welchem wir Signale von außen einsortieren und sie dann bewerten.

 

Weitere Beispiele dazu:

 

1. Ich arbeitete in meinem Arbeitszimmer an einem Buch und schrieb gerade einen Absatz darüber, dass ein Vater immer wieder seine kleine Tochter bestrafte. Plötzlich knallte es in der Wohnung über mir. Irgendetwas war wahrscheinlich umgefallen. Ich erschrak und hatte sofort das Gefühl: "Gleich werde ich bestraft."

Mein Gehirn sortierte das, was ich hörte, sofort in die Situation ein, über die ich gerade am Buch arbeitete.

Dies dauerte nur eine Sekunde, bevor mir mein täuschender Gedanke bewusst wurde.

 

2. Eines Morgens standen Jacqueline und ich gemeinsam auf, ich ging zur Schlafzimmertür und öffnete sie als Erster, weil mein Weg vom Bett zur Tür kürzer war als ihr Weg. Jacqueline sagte: "Kannst du bitte die Tür offen lassen?" Ich wunderte mich über ihre Bitte, weil ich normalerweise nie ihr die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Als ich sie mit einem fragenden Blick anschaute, ergänzte sie: "Die Badezimmertür." Immer, wenn ihre Kinder im Haus sind und ich ins Bad gehe, schließe ich die Tür hinter mir ab. Doch dieses Mal wollte sie mir noch ins Bad hinterher kommen, nachdem sie die Kater ins Haus gelassen hatte.

Mein Gehirn hatte ihre Frage der Schlafzimmertür zugeordnet, weil ich gerade mit dieser Tür beschäftigt war.

 

3. Stellt Euch einen kleinen Jungen vor, der in seiner Kindheit sehr oft erleben musste, wie seine Geschwister neidisch wurden, wenn er etwas Schönes geschenkt bekam. Entweder zerstörten seine Geschwister das Geschenk oder klauten es ihm heimlich. Dies geschah sehr oft. Auch als Erwachsener erlebte dieser Mensch immer wieder, wie andere Menschen neidisch wurden, wenn er etwas Schönes geschenkt bekam oder sich etwas gönnte. Er wurde immer wieder bestohlen oder betrogen. Es bildete sich in seinem Gehirn ein sehr starkes Misstrauen aus.

Was passiert nun, wenn dieser Mensch eine Million im Lotto gewinnen würde? Könnte er sich frei darüber freuen? Oder wäre diese Million für ihn eher eine Last?

Sein Gehirn wird auf jeden Fall diesen Gewinn mit unangenehmen Gefühlen koppeln.

 

4. Angenommen ein Mensch hat in seiner Kindheit immer wieder erlebt, wie die Eltern ihn bestraft haben und anschließend betonten: "Wir wollen dich nur beschützen. Wir wollen dein Bestes!" - und nun wird dieser Mensch erwachsen und hat einen Partner, der ganz liebevoll mitteilt: "Ich möchte dich glücklich machen. Ich möchte nur dein Bestes. Und ich biete dir gerne meinen Schutz an!" Was wird in dem Gehirn dieses Menschen vorgehen, wenn sein Partner so etwas sagt?

 

5. Ich kenne eine Frau, die in ihrer Kindheit sehr oft folgendes erlebt hat: Immer wenn sie weinen musste, kamen die Eltern, reichten ihr ein Taschentuch und sagten: "Hier. Putz dir die Nase und hör auf zu heulen!"

Wie wird es das Gehirn dieser Frau einsortieren, wenn sie in einer Selbsthilfegruppe in Tränen ausbricht und man ihr höflich ein Taschentuch reicht?

 

6. Wieviele Menschen sind damit aufgewachsen, dass "Fehler machen" etwas Unangenehmes ist? Und nun haben sie in der Gegenwart Angst, etwas "falsch" zu machen ... weil ihr Gehirn immer wieder diesen Rahmen herstellt: Fehler + Schmerz.

 

 

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7. Oder schauen wir uns die Menschen an, die in ihrer Kindheit immer wieder erleben mussten, dass ihre eigenen Ziele von den Eltern abgewertet wurden und anschließend die Eltern ihre eigenen Ziele "über" die Ziele des Kindes gestellt haben. Wenn dies immer wieder auf schmerzhafte Weise geschah, haben diese Menschen es schwer, sowohl eigene Ziele zu entwickeln ("Meine Ziele werden ja sowieso wieder gebremst und abgewertet") als auch eigene Ziele konsequent zu verfolgen und erfolgreich zu erreichen. Oft sabotiert ihr Gehirn sich dann selbst und übernimmt die Rolle der Eltern, indem es andere Ziele dazwischen kommen lässt.

 

Diese aufgeführten Beispiele stellen keine "optischen Täuschungen" des Gehirns dar, sondern "emotionale Täuschungen". Ich rede bei solchen unangenehmen Geschichten auch gerne von: "emotionalen Phantomschmerzen".

 

Wenn wir daran denken, wie unterschiedlich die Lebenserfahrungen von Menschen sind, und wenn wir uns vorstellen, dass diese Lebenserfahrungen den "Rahmen" bieten, in welchen das Gehirn die Gegenwart einsortiert und deutet, dann wird uns klar, wie unterschiedlich wir Menschen die Welt wahrnehmen. Jeder Mensch "täuscht" sich selbst anders - jeder auf seine ganz individuelle Weise.

 

Zwei weitere Beispiele sollen verdeutlichen, wie unterschiedlich wir Menschen gleiche Situationen bewerten.

 

- Eine gute Freundin hat uns in ihre neue Wohnung zum Frühstück eingeladen. Sie wollte uns zeigen, wie schön sie jetzt wohnt und wie ruhig die Umgebung ist. Als wir auf der Terrasse saßen, bemerkten Jacqueline und ich, wie laut die Hauptstraße zu hören ist, die ca. 200 Meter entfernt vorbei führte (dazwischen war Wald).

Unsere unterschiedlichen Wertungen klärten sich, als wir unsere Hintergründe genauer untersuchten:

Jacqueline und ich leben zurzeit in einem Haus, in dem es absolut ruhig ist. Wir hören keine Autos - nur ab und zu die Nachbarn.

Unsere gute Freundin hatte vorher ganz direkt an einer Hauptstraße in der Nähe einer Kreuzung gelebt. Sie war es gewohnt, dass immer wieder Laster laut rumpelnd vorbeifuhren und auch die Krankenwagen direkt vor ihrem Haus regelmäßig das Martinshorn anstellten, weil sie sich der Kreuzung näherten. Im Vergleich zu dieser Situation war ihre neue Wohnung tatsächlich wesentlich ruhiger! Im Vergleich zu unserer gewohnten Stille jedoch nicht ...

 

- Wenn ein Mensch Knoblauch isst und alle anderen nicht, dann nehmen die anderen den Knoblauchgeruch dieses einen Menschen wahr. Nur er selbst nicht. Sein Gehirn ist den Geruch "gewöhnt". Die anderen merken den Unterschied zwischen sich selbst und dem anderen, denn sie sind zurzeit nicht an den Knoblauchgeruch gewöhnt. Nur wenn man selbst Knoblauch isst, verschwindet die Knoblauch-Wahrnehmung bei demjenigen.

 

 

Zusammenfassung:
Unser Gehirn nutzt das, was wir bisher kennen oder worauf wir uns gerade konzentrieren, als "Rahmen", um dort alles andere einzusortieren!

Unsere Wahrnehmung hängt von dem Rahmen ab, in welchem wir eine Sache wahrnehmen.

Wir bestimmen (absichtlich oder unabsichtlich) in unserem Gehirn den Zustand / Rahmen, in welchen wir Signale von außen einsortieren und sie dann bewerten.

 

 

 

In Teil 3 der Gesamteinführung werde ich Euch das Phänomen der "Resonierenden Empfindungen" vorstellen, das für die Empathie-Säule 2 (Resonanz zum Gegenüber - reine Gefühlsansteckung) sehr wichtig ist.

Und in Teil 4 greife ich noch einmal das Thema dieses zweiten Teils über unser rahmengebenden Gehirn auf und stelle Euch in dem Zusammenhang acht verschiedene innere Rahmen vor, die wir auf alle Alltagssituationen übertragen können und dadurch andere Menschen und uns selbst wesentlich besser verstehen lernen.

 

 

 

 

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