Realitätenkellner: Olaf Jacobsen
Termine: siehe Terminkalender
Teilnahmegebühr: Wähle die Höhe deiner Teilnahmegebühr selbst und werfe sie anonym in die Kasse vor Ort.
(Richtwert: zwischen 5,- und 20,- € pro 60 Min., kann gerne auch unter- oder überschritten werden, je nach deiner finanziellen Lage und Werteinschätzung der Veranstaltung. Teilnehmende mit hohem Einkommen oder Vermögen bitten wir, sich tendenziell am oberen Richtwert zu orientieren.)
Obergrenze: maximal 25 Personen (Köln), 35 Personen (Karlsruhe), bitte anmelden
Voraussetzung für die Teilnahme: keine
Wir alle kennen optische Täuschungen. Wir haben alle auch schon erfahren, wie Zauberkünstler uns so täuschen, dass wir ihre Tricks nicht entlarven können. Die Hirnforschung sagt, dass unser Gehirn zu den Informationen, die durch unsere Sinnesorgane in unser Gehirn geschickt werden, viele eigene Gehirn-interne Informationen hinzudichtet und auf diese Weise das Umfeld möglichst stimmig und schlüssig zu interpretieren versucht. Doch das kann auch nach hinten losgehen und zu vielen Irrtümern und Missverständnissen führen.
Wie können wir uns diese Eigenart unseres Gehirns im Alltag immer wieder bewusst machen?
Wie können wir sogar damit "rechnen" und mit dieser Eigenart konstruktiv umgehen?
Wie macht uns das Bewusstsein über diese Irrtümer und Täuschungen immer empathischer für uns selbst und für andere?
Für das Lesen des kompletten Vortrags hier unten:
Bestimme die Gebühr für das Lesen dieses Vortrags selbst - je nach deiner Wertschätzung unserer Ausarbeitung, deiner Wertschätzung des Inhalts und nach deiner finanziellen Lage.
Richtwert: zwischen 1,- und 5,- € pro Vortrag/Training - kann gerne auch unter- oder überschritten werden. Leserinnen oder Leser mit hohem Einkommen oder Vermögen bitten wir, sich tendenziell am oberen Richtwert zu orientieren.
Möchtest du nichts überweisen, dann gehört das für uns auch dazu. Du bist herzlich dazu eingeladen, den Text hier unten trotzdem zu lesen.
Überweise freiwillig auf folgendes Konto: NeuroSonanz Jacobsen, Sparda-Bank BW, DE29 6009 0800 0100 6866 70,
BIC: GENODEF1S 02 - Als Verwendungszweck bitte Vortrags- oder Trainingsnummer angeben - oder Name des jeweiligen Realitätenkellners (damit das Geld dem entsprechenden Realitätenkellner zufließen darf).
Dauer: Zum Lesen dieses Vortrags brauchst du ca. 30 – 40 Minuten Zeit.
Kompletter Vortrag zum
Ausdrucken (Stand 8.8.2015):
Achtung: Alle aufklappbaren Bilder sind
in der PDF-Datei bereits aufgeklappt.
Herzlich willkommen zum sechsten Vortrag.
Was macht unser Gehirn mit uns? Das ist in diesem Vortrag das Thema.
Im vorigen Vortrag 5 ging es darum, was wir mit unserem Gehirn machen können, was alles möglich ist – und hier ist es nun umgekehrt: Was macht unser Gehirn mit uns?
Unser Gehirn versucht auf bestmögliche Weise, uns die Realität um uns herum deutlich zu machen, damit wir uns in unserem Umfeld optimal bewegen und mit äußeren Dingen umgehen können. Dazu erschafft unser Gehirn in sich selbst eine "Ersatzrealität", ein "Modell von der Welt", auf das wir reagieren und mit dem wir umgehen. Diese Ersatzrealität scheint der äußeren Realität so ähnlich zu sein, dass wir davon überzeugt sind, die tatsächliche Realität im außen wahrzunehmen. Doch da täuschen wir uns - im wahrsten Sinne des Wortes, bzw. unser Gehirn täuscht uns.
Wusstet ihr, dass sich in unserem Auge - direkt in unserem Sichtbild - Unmengen von Äderchen befinden? Wir können sie zwar sehen, nur nicht bewusst wahrnehmen, weil unser Gehirn uns entsprechend täuscht und diese Äderchen ausblendet.
Aber ihr wusstet bestimmt, dass es im Auge einen blinden Fleck gibt. Auch den können wir nicht wahrnehmen, weil unser Gehirn den blinden Fleck einfach ergänzt, so dass wir das Gefühl haben, ein vollständiges Bild von unserem Umfeld wahrzunehmen - ohne "Loch".
Je bewusster uns wird, dass unser Gehirn uns auf der einen Seite hilft, uns dabei aber auch täuscht, umso empathischer können wir mit uns selbst und mit unserem Umfeld umgehen. Missverständnisse, Täuschungen und Projektionen sind dann nicht mehr "lästige Störungen", sondern willkommener Alltag.
Wir werden uns ein paar Phänomene von Wahrnehmungstäuschungen anschauen. Einiges kennt ihr bestimmt – und einiges dürfte für euch neu sein. Und wir werden versuchen, diese Täuschungseffekte auf bestimmte Alltagssituationen zu übertragen, daraus zu lernen und auf diese Weise unsere Empathie auszubauen.
Wir beginnen bei unseren Augen – ganz banal: Wenn wir ein Objekt erkennen wollen, müssen wir zu allererst die Augen auflassen, damit unsere Augen entsprechende Signale von unserem Umfeld hereinlassen können. Doch was passiert dann?
Ich zeige euch gleich drei große Buchstaben, die in einer einzigen Farbe erscheinen. Ich bitte euch, sobald ihr die farbigen Buchstaben seht, ganz schnell -blitzschnell- zu sagen, welche Farbe es ist – also z. B. „grün! – oder gelb!“
Also: Wenn ihr gleich mit der Maus auf die Worte "SPONTAN BLITZSCHNELL AUSSPRECHEN!" klickt, tauchen drei große farbige Buchstaben auf. In welcher Farbe erscheinen diese Buchstaben?
SPONTAN BLITZSCHNELL AUSSPRECHEN! (funktioniert nicht in der PDF-Datei!)
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Ich wette, dass einige von euch spontan rot gesagt hätten, sich dann aber noch rechtzeitig gebremst haben. Die Buchstaben haben natürlich die Farbe Blau oder Hellblau.
Was ist passiert?
Ihr habt eure Augen offen gehalten und die Signale hereingelassen. Dabei habt ihr den Verarbeitungsprozess eures Gehirns wahrnehmen dürfen. Ihr habt wahrgenommen, dass zwei Botschaften, die gleichzeitig vorhanden sind und sich widersprechen, zunächst einmal in eurem Bewusstsein sortiert werden müssen. So etwas fühlt ihr kurz als einen Zustand der Verwirrung.
Ich verwirre manchmal auch gerne unsere Bäckersfrau. Die Sesambrötchen liegen unten links in der Theke. Ich schaue aber nach oben rechts ins Brotregal und sage, dass ich gerne ein Sesambrötchen hätte. Meistens dreht sich die Bäckersfrau spontan zunächst zum Brotregal um, bevor sie im Verstand registriert hat, dass ich ja ein Sesambrötchen möchte und dass dies vorne in der Theke liegt. Hier sende ich auch zwei Botschaften: Mein Blick deutet auf das Brotregal und meine Worte deuten auf das Sesambrötchen in der Theke.
Hier sehen wir schon die ersten Täuschungen unseres Gehirns. Welcher der beiden Botschaften gibt unser Gehirn spontan einen Vorrang? Wonach richtet sich unser Gehirn und was blendet es zunächst aus?
Bei dem Bild oben bekam bei den meisten von euch die Sprache Vorrang - bei der Bäckersfrau bekommt meine Blickrichtung Vorrang.
Im Alltag können wir uns also folgende Frage stellen:
Welche Rangfolge lebt mein Gehirn gerade? Und was wäre, wenn ich die Rangfolge beeinflussen würde?
Wenn mich ein Mensch anschreit, dass er mich doch liebt (!), welche Rangfolge stellt mein Gehirn her?
Hört es die Worte, so dass sich mein Herz öffnet, oder gibt es dem aggressiven Anschreien Vorrang und ich fühle Stress, oder sieht es die Verzweiflung und den Konflikt im anderen und ich fühle Mitgefühl für denjenigen?
Wenn ich die Nachrichten anschaue, höre ich mir die Worte des Sprechers an oder sehe ich die Bilder im Nachrichtenfilm?
Ich habe festgestellt, dass ich mich besser auf die Inhalte der Nachrichten konzentrieren kann, wenn ich dabei die Augen schließe. Schaue ich mir die Bilder an, dann kann ich nicht mehr so gut zuhören, weil mein Gehirn den Bildern Vorrang gibt.
Dieses Bewusstsein hilft mir, gezielter auf die Rangfolgen meines Gehirns Einfluss zu nehmen und auf diese Weise mein Umfeld anders wahrzunehmen und anders zu interpretieren - meinen persönlichen Zielen entsprechend.
(Ich möchte auf die Parallele im Vortrag 3 hinweisen, in welchem wir über die Regelung für ein empathisches Ich-System sprachen. Dort ging es im Punkt 3 auch um Rangfolgen. Solange man in sich selbst noch keine Rangfolge hergestellt hat, gilt erst einmal Punkt 2 = alles wird ernst genommen. Dies könnte einem Zustand der Verwirrung und Orientierungslosigkeit ähnlich sein. Siehe zum Vergleich direkt HIER).
Bei dieser Gelegenheit erwähne ich schon einmal, dass es auch den umgekehrten Weg gibt: Wir können unser Gehirn in einen bestimmten Grundzustand versetzen, in den es dann die von außen kommenden Botschaften auf die von uns gewünschte Weise einsortiert.
Buddhistische Mönche, die durch Mitgefühls-Meditationen jahrelang ihr Gehirn so trainiert haben, dass es sich schnell in einen Zustand des "Mitgefühls" versetzen lässt, reagieren auf einen schreienden Menschen spontan mit Mitgefühl.
Menschen, die ihre Angstzustände unabsichtlich trainiert haben, indem sie immer noch ihre Ängste aus der Kindheit fortsetzen - ohne zu wissen, wie man das ändern könnte -, reagieren auf schreiende Menschen hauptsächlich mit Stressgefühlen.
Und wer sich gerade in einem Zustand voller Liebe befindet und keine Angst hat, reagiert auf einen "Ich liebe dich doch!" schreienden Menschen tendenziell mit einem Liebesgefühl und freut sich tief in seinem Herzen über diese Mitteilung.
Dieses Thema, wie wir unser Gehirn in einen positiven Grundzustand versetzen können und dadurch unsere Wahrnehmungen beeinflussen, werde ich später noch ausführlicher behandeln - und es ist auch ein wesentlicher Bestandteil von Vortrag 7: Einführung in das NeuroSonanz-Modell. Denn mit diesem Modell können wir gezielt unseren Gehirnzustand beeinflussen.
Empathie im Alltag (Selbst-Empathie)
Welcher Botschaft gibt mein Gehirn gerade Vorrang?
Und was ändert sich in mir,
wenn ich diese Rangfolge bewusst ändere
und einer anderen Botschaft Vorrang gebe?
Wie nehme ich mein Umfeld wahr und wie deute ich die Botschaften von außen,
wenn ich mein Gehirn gezielt in einen positiven Grundzustand versetze?
Wir kommen zum nächsten Thema.
Macht jetzt bitte einmal folgendes Experiment:
Hier unten habt ihr die drei großen Buchstaben ROT noch einmal. In der Mitte von dem O seht ihr einen dunklen Punkt. Bitte fixiert diesen Punkt für eine Weile - vorher aber noch mit dem Mauszeiger OHNE zu klicken auf die Zeile "Hier erst klicken, nachdem ihr ca. 10 Sekunden auf den schwarzen Punkt fixiert habt" fahren. Der Mauszeiger soll einfach schon mal drauf liegen, damit ihr später nicht mit den Augen schauen müsst, wo ihr klicken sollt.
Also - Mauszeiger liegt auf der erwähnten Zeile. Und jetzt fixiert ihr für ca. 10 Sekunden den Punkt in der Mitte vom O und bleibt mit euren Augen auf dem Punkt, wenn ihr nach 10 Sekunden mit der Maus klickt.
Was seht ihr nach dem Klicken?
Hier erst klicken, nachdem ihr ca. 10 Sekunden auf den schwarzen Punkt fixiert habt
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Ihr könnt ein bisschen weiter experimentieren: Wenn ihr noch einmal auf die Zeile klickt, schließt sich das Feld wieder und ihr seht die blaue Schrift an der Stelle. Fixiert wieder, klickt dann noch einmal, seht innerhalb der weißen Buchstaben die rote Farbe und schaut dann mit euren Augen zwischen den Buchstaben hin und her - dann fixiert wieder auf den Punkt - dann schaut wieder hin und her.
Beim Hin- und Herschauen verschwindet sofort die rötliche Färbung, richtig? Und wenn ihr noch einmal den Punkt fixiert, ist immer noch ein bisschen rötliche Farbe innerhalb der Buchstaben zu spüren, oder?
Das, was Ihr bei diesen Experimenten wahrgenommen habt, ist ein sogenannter Sukzessivkontrast (sukzessiv = aufeinanderfolgend). Er entsteht durch Anpassung der Nervenzellen – auch Adaption genannt. Dadurch nehmt ihr ein "Nachbild" wahr. Ich erkläre es gleich noch genauer.
Zuvor macht bitte noch ein weiteres, ähnliches Experiment: Schaut euch diese Farbwolke hier unten an. Legt auch hier wieder den Mauszeiger auf das Wort "KLICK" und schaut für ein paar Sekunden in die Mitte auf den schwarzen Punkt. Dann klickt auf "KLICK" und schaut dabei weiter auf den schwarzen Punkt. Welche Farben erscheinen in den Feldern? (Sobald ihr die Augen ein wenig hin und her bewegt, verschwinden die Farben.) Durch wiederholtes Klicken auf "KLICK" könnt ihr den Effekt wiederholen und genauer erforschen. Beobachtet genau, schaut genau hin und merkt es euch: Welche Farben erscheinen hinterher?
KLICK
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Wem es aufgefallen ist: Auf dem Nachbild erscheint jeweils genau die gegenüberliegende Farbe zu der vorher dort existierende Farbe - also:
Wenn ihr zuerst rechts unten das dunkelblaue Feld seht, seht ihr dort im Nachbild die genau gegenüber liegende Farbe gelb. Dort, wo vorher Gelb war, ist im Nachbild blau. Oben beim Rot seht ihr im Nachbild das gegenüberliegende Hellblau - und das vorige Hellblau erscheint jetzt rötlich. Auch grün und rosa/violett haben im Nachbild die Plätze getauscht.
Im Nachbild erscheint also jeweils die Komplementärfarbe.
Eine Komplementärfarbe ist die Farbe, die bei additiver Farbmischung mit einer anderen Farbe Weiß ergibt.
Wie kommt es zu so einem Nachbild?
Durch den Troxler-Effekt.
Und was ist der Troxler-Effekt?
Ich möchte es in meinen Worten beschreiben, damit ihr es besser nachvollziehen könnt und es nicht zu wissenschaftlich klingt:
Es gibt eine allgemein vorhandene Grunddynamik - nicht nur beim Sehen mit den Augen, sondern auch in allen anderen Zusammenhängen. Im Grunde eine Art "universelles Grundgesetz".
Diese Grunddynamik heißt:
Im Gleichgewicht verschwindet die Wahrnehmung. Nur das Ungleichgewicht wird wahrgenommen.
Beispiele: Stellt euch einen Frauenchor mit lauter sehr guten Sängerinnen vor, die in der Lage sind, sich stimmlich intensiv einander anzupassen. Jetzt singen alle Frauen einen einzigen Ton mit dem gleichen Vokal in gleicher Lautstärke. Das ergibt einen sehr homogenen einstimmigen Klang. Innerhalb dieses Klangs, den man natürlich in seiner Gesamtheit wahrnehmen kann, kann man jedoch nicht die einzelnen Frauenstimmen voneinander unterscheiden. Alle Stimmen zusammen ergeben diesen Einheitsklang. Es verschwindet die Wahrnehmung für die einzelnen individuellen Stimmen.
Oder stellt euch vor, alles um euch herum hätte die Farbe "Schwarz" - und es gäbe innerhalb dieses Schwarz auch keine Helligkeitsunterschiede. Alles hat die tiefdunkle Farbe Schwarz. Was würdet ihr sehen?
Nur noch schwarz - also im Grunde nichts mehr. Eure Wahrnehmung der unterschiedlichen Objekte verschwindet, wenn die Objekte alle schwarz wären. Es wäre zwar das Gesamtschwarz wahrnehmbar - aber keine Unterschiede mehr innerhalb dieses Schwarz.
Oder sicherlich habt ihr schon einmal erlebt, eure Hand in Wasser zu tauchen, das genau die gleiche Temperatur wie eure Hand hat. Man merkt es so gut wie gar nicht, dass die Hand ins Wasser eintaucht. Wäre das Wasser kalt oder heiß, also wäre der Unterschied der Temperatur zu eurer Hand wesentlich größer, dann würdet ihr es sofort merken, wenn ihr das Wasser berührt.
Letztes Beispiel: Konzentriert euch mit euren Augen ein paar Minuten auf einen einzigen Punkt - möglichst ohne mit den Augen zu zucken oder zu blinzeln. Nach einer gewissen Zeit verschwimmt alles um den Punkt herum und wird zu einem einheitlichen Grau. Auf eurer Netzhaut passen sich die Zäpfchen dem immer gleichen Lichtreiz an (Anpassung = Adaption). Es entsteht ein "Gleichgewicht" und Wahrnehmung verschwindet. Das nennt man auch "Lokaladaption" (örtliche Anpassung). Erst wenn ihr die Augen bewegt, wird wieder alles sichtbar. Deshalb gibt es auch bei unseren Augen die "Mikrosakaden", das sind ganz kleine Zuckungen, die dafür sorgen, dass sich die Augen bewegen und unterschiedliche Lichtsignale erhalten - und nicht immer die gleichen Lichtsignale.
Denn im Gleichgewicht verschwindet die Wahrnehmung. Erst durch Ungleichgewichte, durch Augenbewegungen oder andere Bewegungen entsteht unsere Wahrnehmung.
Erst wenn die Sängerinnen im Chor alle unterschiedliche Töne singen, können wir hören, wer welchen Ton singt, aus welcher Kehle welcher Ton kommt. Erst wenn die Objekte um uns herum unterschiedliche Farben und Helligkeiten ausstrahlen, können wir sie wahrnehmen und besser voneinander unterscheiden.
Nun komme ich zu der Frage, wieso wir nach dem Starren auf ein Farbbild im Nachbild die Komplementärfarben sehen.
Es gibt auf der Netzhaut verschiedene Rezeptoren, die die Lichtsignale auffangen:
- Stäbchen, die für die Helligkeit zuständig sind.
- L-Zapfen, die für lange (Long) Lichtwellenlängen zuständig sind (rotempfindlich)
- M-Zapfen, die für mittlere (Medium) Wellenlängen zuständig sind (grünempfindlich)
- S-Zapfen, die für kurze (Short) Wellenlängen zuständig sind (blauempfindlich)
Wenn wir nun auf die Farbe Rot schauen - über längere Zeit, dann befinden sich die L-Zapfen am stärksten im Gleichgewicht mit dieser Farbe. Dadurch, dass sie für längere Zeit dem gleichen Reiz ausgesetzt sind, erschöpft sich ihr Potential und sie werden inaktiv (im Gleichgewicht verschwindet die Wahrnehmung).
Blickt man nun auf eine weisse Fläche, arbeiten wie gewöhnlich die „fitten“ Photorezeptoren, die „inaktiven“ jedoch senden kein Signal zum Gehirn. Das bedeutet also, die S- und M-Zapfen (grün und blau) sind aktiv und schicken Signale ans Gehirn, aber ohne die L-Zapfen (rot). Grün und blau ohne rot kombiniert = ergibt hellblau (s.u.).
Schauen wir mit den Augen auf die Farbe Grün, dann werden bei längerem Gleichgewicht die M-Zapfen inaktiv. Übrig bleiben die anderen beiden Zapfenarten, rot und blau = ergibt kombiniert violett. Also sehen wir im Nachbild auf einer weißen Fläche dort violett, wo vorher grün war.
Arbeiten alle drei Zäpfchen gleich stark, dann sehen wir weiß (Kombination von rot, grün und blau = Mittelteil der Farbwolke). Wenn aber ein Zäpfchen oder zwei Zäpfchen "fehlen", bleiben die anderen übrig.
Wir können an dieser Farbwolke ablesen:
Wenn grün komplett fehlen würde, dann bleiben rot und blau übrig. Rot und blau kombiniert ergibt violett.
Wenn blau fehlt, bleiben rot und grün übrig. Rot und grün ergibt gelb.
Wenn blau und grün zusammen fehlen (beides kombiniert ist hellblau), dann bleibt rot übrig (Komplementär zu hellblau).
(Weitere Infos über Farbwahrnehmung siehe HIER und HIER).
(Es gibt auch noch die Unterscheidung "Positives Nachbild" und "Negatives Nachbild". Beides hängt von der Intensität des zuerst wahrgenommenen Lichtes und vom Hintergrund während des Nachbildes ab. Doch das auszuführen würde jetzt zu weit gehen ...)
Was können wir nun mit diesem Prinzip anfangen? Wie können wir es auf unseren Alltag übertragen?
Dazu erstelle ich eine allgemein formulierte Formel:
Wenn wir uns über längere Zeit auf eine bestimmte Schwingung (eine Farbe X) konzentrieren - und dann anschließend unsere Aufmerksamkeit auf einen Bereich lenken, in dem alle Schwingungen Platz haben (weiß), dann nehmen wir dort als "Trugbild" eine gegenpolige Schwingung wahr (Komplementärfarbe zur Farbe X).
Begründung: Die erste Schwingung (Farbe X) hat sich erschöpft oder befindet sich noch in einem "starren" Zustand, so dass sie noch nicht wieder frei beweglich und verfügbar ist. Dadurch sind alle anderen Schwingungen stärker wahrnehmbar, weil ihnen der Ausgleich durch die fehlende (erschöpfte/erstarrte) Schwingung fehlt.
Beispiele in unserem Alltag:
- Waren wir über längere Zeit mit einem Menschen zusammen, der viel Stress in uns ausgelöst hat (Farbe X) - und kommen dann in eine Situation, in der wir mit uns selbst komplett allein sind (Bereich, in dem alle Schwingungen Platz haben), dann fühlen wir als erstes besonders stark die Stressfreiheit. Stressfreiheit geht meistens mit Erleichterung einher, vielleicht sogar Glücksgefühle (Gegenpol zum Stressgefühl). Nach ein paar Tagen des Alleinseins hat sich dieses Gefühl dann wieder gelegt. Das "Nachbild" ist verschwunden und es ist "Normalität" eingetreten.
Wichtig: Das gegenpolige Nachbild ist immer = alles andere ohne das bisher permanent Erlebte
- Waren wir über längere Zeit mit einem Menschen zusammen, der in uns viele Glücks- oder Harmoniegefühle ausgelöst hat (Farbe X) - und kommen dann in eine Situation, in der wir mit uns selbst komplett allein sind (Bereich, in dem alle Schwingungen Platz haben), dann fühlen wir als erstes besonders stark die Glückslosigkeit (alles andere ohne diese Glücks- und Harmoniegefühle). Das bedeutet: Wir fühlen uns nicht mehr glücklich, fühlen uns vielleicht leer oder sogar traurig (es ist immer individuell unterschiedlich, was übrigbleibt, wenn das Glücksgefühl fehlt). Nach ein paar Tagen des Alleinseins hat sich dieses Gefühl dann wieder gelegt. Das "gegenpolige Nachbild" ist verschwunden und es ist die uns bekannte "Normalität" eingetreten.
- Waren wir über längere Zeit mit einem lauten, uns belastenden Menschen zusammen, dann genießen wir im Alleinsein die Ruhe für ein paar Tage. Anschließend kehrt Normalität ein.
- Waren wir über längere Zeit mit einem permanent schweigenden Menschen zusammen, dann genießen wir im Kontakt mit anderen Menschen möglicherweise besonders stark das gemeinsame Reden. Doch nach einer Weile hat sich das dann wieder normalisiert.
- Menschen, die aufgrund von psychischen Problemen für eine Zeit in einer psychosomatischen Klinik gelebt haben und die sich dort besonders wohl gefühlt haben, kommen anschließend wieder zurück nach Hause. Dort - in dem "alten Gleichgewicht" fühlen sie dann erst einmal ein gegenpoliges Nachgefühl: vielleicht Trauer, Depression, es geht ihnen wesentlich schlechter als noch in der Klinik. Irgendwann pendelt sich dann das zum Alltag passende Gefühl wieder ein - oder man verändert sein Umfeld (Hinweise, Konfrontation, Trennung etc.), um das Klinik-Gefühl wieder ein bisschen spürbar machen zu können.
- Im Job sind einige von uns über längere Zeit der Situation ausgesetzt, jemandem für seine Ziele permanent "zur Verfügung zu stehen". Kommen wir nach Hause und "müssen" erst einmal niemandem zur Verfügung stehen, dann fühlen wir das Nachgefühl: Gar keinem Ziel zur Verfügung zu stehen - nicht einmal den eigenen Zielen. Ziellosigkeit. Energielosigkeit. Nach einer "Erholungszeit" kann man dann irgendwann wieder seinen eigenen Zielen (oder fremden Zielen) zur Verfügung stehen und wird wieder aktiv.
- Nach einer Disko, in der unser Trommelfell besonders strapaziert wurde, haben wir anschließend erst einmal Hör-Schwierigkeiten. Das Hören „fehlt“.
- Waren wir in der grellen Sonne, geblendet, und gehen anschließend ins Haus in den dunklen Flur, können wir erst einmal kaum etwas sehen. Das Sehen fehlt uns.
- Als ich nach einiger Abwesenheit von meiner Geburtsstadt Neumünster in Norddeutschland wieder zurück zu Besuch kam, wurde mir besonders bewusst, wie klein die Häuser und Straßen in Norddeutschland sind. Das Große von der Großstadt Karlsruhe und Köln fehlte mir – und dadurch wirkten die Häuser und Straßen besonders klein auf mich. Das Kleine trat in den Vordergrund.
- Wenn ein Ehepaar gemeinsam zu Besuch bei Verwandten war und dort den Verwandten für ihre Ansichten und Wünsche die ganze Zeit zur Verfügung stehen musste, ensteht anschließend auf der Rückfahrt im Auto eine Art "Nachgefühl" bei beiden. Einer der beiden - Person A - hat das Zur-Verfügung-Stehen als permanente Fürsorge und Selbstaufgabe empfunden und erhält im Auto das Nachgefühl: Nicht mehr fürsorglich sein müssen, sondern selber umsorgt werden wollen. Und der andere - Person B - hat das Zur-Verfügung-Stehen als Verpflichtung empfunden und erhält im Auto das Nachgefühl, endlich frei tun zu dürfen, was man selbst möchte.
Bei Person A ist das Nachgefühl mit dem Wunsch verbunden, dass Person B sich fürsorglich um Person A kümmert und Nähe herstellt. Bei Person B ist das Nachgefühl mit dem Wunsch verbunden, komplett unabhängig vom Umfeld fühlen zu dürfen - also Distanz. Diese beiden Nachgefühle passen nicht zusammen. Logisch, dass dann das Potenzial eines Konflikts in diesem Fall besonders ansteigt.
Das ist so ähnlich, wie wenn Person A permanent auf die Farbe Rot und Person B permanent auf die Farbe Grün geschaut hat. Nun schauen beide auf die Farbe Weiß und Person A sagt: "Ich sehe Hellblau" wobei Person B sagt: "Ich sehe Violett". Und nun streiten sie sich darüber, wer Recht hat.
Empathie für unseren Alltag
(Selbst-Empathie und Verständnis für Gefühle anderer Menschen)
Haben wir für eine gewisse Zeit in einer bestimmten Situation gelebt,
haben wir uns sehr lange auf eine Sache konzentriert,
und kommen dann in eine neutralere, freiere Situation,
dann wird erst einmal für eine gewisse Zeit
das "gegenpolige Nachgefühl" besonders wirksam.
Dieses gegenpolige Nachgefühl ist: Alles andere ohne das bisherige Gleichgewicht.
Nach einer gewissen Zeit hat es sich dann wieder "normalisiert".
Wenn man das Nachgefühl nicht mag,
zieht man eventuell Konsequenzen aus diesen Erfahrungen
und entscheidet sich, mit welchen Schwingungen man sich in Zukunft umgibt
und worauf man seine Aufmerksamkeit lenken möchte.
Da wir - wie beim Farbensehen - uns nicht immer nur auf eine einzige Situation konzentrieren und uns dann anschließend in einer neutralen Situation aufhalten, sondern da wir immer verschiedene Farben und verschiedene Situationen durchleben, fallen uns Nachbilder / Nachgefühle oft nicht auf. Sie tauchen eben dann besonders auf, wenn wir uns über längere Zeit auf ein ganz bestimmtes (Un-)Gleichgewicht konzentrieren und in diesem Bereich "erschöpfen", so dass dann in einer neutralen Situation nicht sofort die Ausgeglichenheit vorhanden ist, sondern erst einmal der komplette Gegenpol zur vorangegangenen Situation.
In einer Partnerschaft und Gemeinschaft kommt es immer vor, dass jeder nach einer bestimmten gemeinsamen Konzentrationsphase oder einem gemeinsamen Gleichgewicht andere Nachgefühle erlebt als der andere.
1. Weil sich jeder in dieser Konzentrationsphase aufgrund der unterschiedlichen Gehirne (siehe Vortrag 2) auf etwas anderes konzentriert hat als der andere.
2. Weil der "Rest" (= Alles ohne das bisherige Gleichgewicht) sich aufgrund der unterschiedlichen Gehirne auch immer voneinander unterscheidet.
Je bewusster wir uns innerhalb einer Partnerschaft und Gemeinschaft dieser Zusammenhänge sind, umso verständnisvoller können wir miteinander und mit diesen unterschiedlichen gegenpoligen Nachgefühlen umgehen.
Wichtig dabei ist auch: Während eines gegenpoligen Nachgefühls wird die Gegenwart anders projiziert, als sie eigentlich ist. Nämlich verzerrt. Wir sehen nicht wirklich das Weiß, sondern wir sehen eine Komplementärfarbe. Wir fühlen uns in einer wirklich neutralen Situation nicht ausgeglichen oder neutral, sondern möglicherweise ganz entgegengesetzt zu dem, wie wir uns in der Situation kurz vorher gefühlt haben, und ordnen die Gegenwart diesem Gefühl entsprechend ein und bewerten sie.
Also: Wenn gemeinsame Konzentrationsphasen oder Gleichgewichte vorbei sind, dann könnt ihr davon ausgehen, dass anschließend für kurze Zeit in den jeweiligen Realitätswahrnehmungen und Gefühlen der Menschen leichte oder stärkere Verzerrungen und Fehlinterpretationen stattfinden. Je nachdem wie stark und wie lange die Gleichgewichtsphase war. Das sind ganz normale "Nachbilder / Nachgefühle".
Wichtige Ausnahme:
Schaue ich lange auf die Farbe Rot, setze mir als nächstes eine rote Brille auf und richte meinen Blick dann auf eine weiße Fläche, dann sehe ich immer noch rot - und keine Komplementärfarbe. Denn ich habe ja noch eine rote Brille auf.
Das ist banal und logisch, erklärt jedoch Folgendes:
Habe ich Kontakt zu einem sehr glücklichen und ausgeglichenen Menschen und fühle mich bei ihm wohl und lerne dabei, Glück und Ausgeglichenheit auch in mir selbst herzustellen, dann kann ich mich hinterher, wenn ich diesen Menschen verlasse, auch weiterhin glücklich und ausgeglichen fühlen, weil ich es in mir selbst herstellen kann (siehe "Lern-Effekt" in Vortrag 5). Hier entsteht kein gegenpoliges Nachbild, denn die Schwingung ist weiterhin IN MIR vorhanden.
Wenn wir also einen uns lieben Menschen verlieren, dann leiden wir stärker darunter, wenn wir tatsächlich das Bild in unserem Gehirn entwickeln, dass der andere Mensch "weg" ist. In dem Moment entsteht das gegenpolige Nachgefühl: Der andere fehlt. Leid.
Geben wir aber diesem Menschen trotz des äußeren Verlustes einen Platz tief in unserem Herzen, auch wenn er äußerlich nicht mehr da ist, dann ist er weiter innerlich in uns vorhanden - und das gegenpolige Nachgefühl schwächt sich ab oder verschwindet vollständig.
Das folgende Phänomen hat auch in gewisser Weise mit dem Troxler-Effekt zu tun.
Bitte zählt im folgenden Text einmal, wie oft der Buchstabe " F " darin vorkommt.
FINISHED FILES ARE THE
RESULT OF YEARS OF SCIENTIFIC
STUDY COMBINED WITH THE
EXPERIENCE OF YEARS
Auf welches Ergebnis seid ihr gekommen? 3 ? Oder mehr?
Das richtige Ergebnis ist, dass in dem Text sechs Mal der Buchstabe F vorkommt - nämlich auch am Ende des Wortes "of".
Viele Menschen blenden das F am Ende dieses kleinen Wörtchens einfach aus, übersehen es. Denn es ist so nebensächlich, dass es keine weitere Rolle für uns spielt.
Gewohntes und für uns Nebensächliches blenden wir aus, z. B. auch in Gesprächen mit anderen Menschen oder im Kontakt mit Kindern.
Auch Klein-Kinder sind weniger interessiert bei Bekanntem und mehr interessiert, wenn wieder etwas Neues kommt. In einem Experiment mit Klein-Kindern, die noch nicht sprechen konnten, hat man die Aufmerksamkeit getestet. Die Kinder saßen vor einem Lautsprecher und hörten daraus gesprochene Worte wie "LaLiLa", "LoLaLo", "LiLuLi" etc. Was diese Worte gemeinsam hatten, war, dass sie aus drei Silben bestanden und die Anfangs- und die Schlusssilbe immer übereinstimmten.
Nach einer Weile das Zuhörens verloren die Kinder das Interesse am Zuhören und begannen, sich mit etwas anderem zu beschäftigen.
Dann wurde das Sprachmuster geändert in "LaLaLi", "LuLuLö" etc. Dieses Mal waren die ersten beiden Silben gleich. In dem Moment schauten die Kinder wieder interessiert in Richtung Lautsprecher und waren für eine kurze Zeit konzentriert - bis auch dieses Sprachmuster allmählich bekannt war und langweilig und uninteressant wurde.
Wenn wir Menschen eine Sache schon sooo lange kennen, wird es für uns uninteressant, es wird zur Nebensache und deshalb gerne von unserem Gehirn in den unbewussten Bereich verschoben (im Gleichgewicht verschwindet die Wahrnehmung).
Und wenn eine Gegenwart für uns sehr komplex ist, tilgt unser Gehirn "unwichtige" Dinge und reduziert unsere bewusste Wahrnehmung auf das Wesentliche.
Empathie für den Alltag (Selbst-Empathie und Verständnis für andere)
Was einen Menschen nicht interessiert,
ist ihm entweder bekannt,
oder es spielt für seine aktuellen Ziele keine Rolle
oder er muss es ausblenden, um seine Realitätsabbildung zu vereinfachen.
Aus diesem Grund mache ich anderen Menschen, wenn sie Hilfe brauchen, zwar Hilfsvorschläge, Angebote, wie man das Problem vielleicht lösten könnte, aber nur in kurzen Sätzen. Wenn mein Gegenüber nicht nach meinen ersten Beschreibungen Feuer fängt, lasse ich ausführlichere Erklärungen bleiben und spare dadurch viel Überzeugungsenergie. Entweder der andere kennt meine Idee schon oder sie spielt für ihn keine besondere Rolle oder der Zeitpunkt stimmt noch nicht.
Was seht ihr in dem nächsten Bild? Kuhflecken? Eine schwarze Inselgruppe auf weißem Grund? Weiße Inselgruppe auf schwarzem Grund? Oder vielleicht auch einfach nichts??
Wenn ihr noch keine Deutung gefunden habt, befindet ihr euch im Moment noch im Prozess der Objekterkennung. Ihr versucht, ein Objekt zu erkennen und ihm eine Bedeutung zu geben.
Das ist eine weitere wunderbare Eigenschaft unseres Gehirns. Es versucht immer wieder in allen möglichen und unmöglichen Alltagssituationen etwas zu erkennen und eine Bedeutung zu geben.
Wir erleben das auch bei folgenden Bildern. Was seht ihr, wenn ihr hier klickt:
KLICK
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Ein nach unten gerichteter Pac-Man?
Oder ein Negativbild einer Sonne, die sich gerade hinter einer weißen Bergspitze befindet?
Schaut euch das nächste Bild an. Was seht ihr nun?
KLICK
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Beim folgenden Bild dürfte nun alles klar sein ...
KLICK
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Hier sehen wir eindeutig ein weißes Dreieck in der Mitte der Gesamtfigur - obwohl dort keines ist...
Unser Gehirn meint es aber zu erkennen.
Wer es tatsächlich nicht sehen sollte, für den habe ich mal versucht, es nachzuzeichnen (bisschen unordentlich...):
KLICK
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Spannend ist jetzt noch folgende kleine Veränderung. Was macht unser Gehirn aus dem folgenden Bild?
KLICK
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Ich habe nur ein bisschen die Figuren verschoben - und schon sehen wir ein weißes Dreieck mit geschwungenen, leicht gebogenen Seiten. Also so ähnlich, wie ich es hier im folgenden Bild versucht habe nachzuzeichnen:
KLICK
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Wir machen keine "eckige" oder geknickte Linie daraus, sondern unser Gehirn projiziert eine geschwungene, gleichförmig gebogene Linie.
Nun kommt das nächste Bild, das ich selbst so gut wie es mir möglich war, gezeichnet habe:
KLICK
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Nein, das soll kein Selbstbild sein ... das hat mit den Kuhflecken zu tun. Denn schaut euch jetzt einmal das nächste Bild an und beobachtet dabei, wie euer Gehirn auf einmal etwas erkennen und deuten kann:
KLICK
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Und jetzt noch einmal ohne jegliche Hilfe:
KLICK
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Ist es euch jetzt noch möglich, die Unerfahrenheit vom Anfang wieder herzustellen und in diesem Bild nach einer Bedeutung zu suchen? Oder könnt ihr jetzt nicht mehr anders, als diesen Mann im Bild zu erkennen?
So wirken Erfahrungen in unserem Leben.
Haben wir einmal eine bestimmte Erfahrung gemacht, dann fügen wir alles, was unser Gehirn damit im Zusammenhang sieht, aneinander, verknüpfen es miteinander, machen eine Bedeutung für uns daraus - und es gibt so gut wie kein Zurück mehr. Es gibt nur ein "Immer-weiter".
Schauen wir uns das Ganze einmal in unserem Gehirn an. Wie funktioniert es?
Das Folgende ist nur eine kleine Andeutung. Natürlich fehlen dabei noch viele Aspekte, die in der Neurowissenschaft bereits erforscht wurden ...
Hier zunächst das Bild dazu:
1. Auge
Im Rezeptor des Auges wird der Lichtreiz in einen Nervenreiz umgewandelt.
2. Thalamus
Dieser Nervenreiz wird an den Thalamus weitergeleitet (rote Pfeile). Dort findet eine erste Sortierung, eine Aufbereitung der Informationen statt.
3. Visueller Cortex
Eine Primäre Bildanalyse findet im visuellen Cortex statt. Das nennt sich "Objektextraktion". Es muss aus den Informationen extrahiert werden, wo sich Objekte befinden und welche der erkannten Linien zu einem Objekt gehören. Das funktioniert nach dem Prinzip, eine möglichst prägnante Lösung zu finden.
4. Signal wird analysiert und an übergeordnete visuelle Zentren weitergeleitet, wo letztlich die Wahrnehmung entsteht. Hier unterscheidet man zwischen WO-Pfad (dorsalem Pfad (dorsum – Rücken)) und WAS-Pfad (ventralem Pfad (ventral – den Bauch betreffend)). Man nimmt an, dass der dorsale Pfad eine wichtige Rolle in der Lokalisation von Gegenständen spielt - und der ventrale Pfad eine wichtige Rolle in der Erkennung von Gegenständen.
Durch bestimmte Erfahrungen (blaue Pfeile) kann unser Gehirn zu den hereinkommenden Signalen Entsprechungen finden und sie sortieren und ergänzen.
Bottom-up-Informationen sind die Informationen, die durch das Auge hereinkommen (rote Pfeile).
Top-down-Informationen sind die Informationen, die das Gehirn aus bisherigen Erfahrungen verwendet, um eine möglichst stimmige Realitätskonstruktion hinzubekommen (blaue Pfeile). Die Hirnforschung sagt, dass
10% der Informationen vom Auge kommen und 90% aus dem Gehirn!
Alarmierende Zahlen, die uns bewusst machen sollten, wie viel Interpretationsleistung unser Gehirn vollbringt und wie viele Fehler es dabei machen kann!
(Eine ausführlichere Beschreibung für die visuelle Wahrnehmung findest du HIER.)
Unser Gehirn filtriert, eliminiert, kontrastiert, akzentuiert, ergänzt. Es konstruiert Bilder (siehe das Kanizsa-Dreieck). Es findet eine Objekterkennung, Objektbenennung und Objektbewertung statt.
Außerdem leben wir auch „Abstraktion“ (= abziehen). Wir lassen Einzelheiten weg und fassen komplexe Zusammenhänge zusammen (siehe das Zählen des Buchstabens "F" im Text).
In der Zeichnung oben könnt ihr sehen, dass ja schon das Objekt (Buchstabe "F") auf unserer Netzhaut verkehrt herum abgebildet wird und unser Gehirn es wieder umdreht. Die Tatsache, dass wir die Welt „richtig“ herum wahrnehmen, ist bereits eine Interpretationsleistung unseres Gehirns.
Deswegen ergänzen wir Lücken in unserer Wahrnehmung mit Hilfe unserer bisherigen Erfahrungen und mit "Objektkonstanz".
Auch der blinde Fleck in unserem Auge und die vielen Äderchen werden ausgeblendet – und werden ergänzt durch Objektkonstanz.
Weitere Ergänzungen, die unser Gehirn durchführt, sind Bewegungsergänzungen – indem wir Bilder, die hintereinander auftauchen, miteinander verbinden und für uns eine Bewegung daraus machen. Wie bei Filmen.
Im Folgenden zeige ich euch Bilder, Videos und auch Links zu Webseiten, wo ihr spannende optische Täuschungen findet, die aufgrund der Interpretationsleistung unseres Gehirns als "seltsame Nebenwirkungen" zustande kommen. Sie zeigen uns gleichzeitig, was wir nicht können.
Das unten drehende Bild findet man im Internet verstreut, wenn man "Drehende Frau" googelt. Ich habe leider nicht herausbekommen, wer der Urheber dieses Werkes mit verdunkeltem Hintergrund ist, und bitte denjenigen darum, zu mir Kontakt aufzunehmen.
Eine ähnliche Gestaltung ist HIER zu finden.
Was interpretiert euer Gehirn? Dreht sie sich rechts oder links herum? Und könnt ihr in eurem Kopf die Richtung ändern? Ich schaffe es, wenn ich kurz wegschaue, mir die umgekehrte Richtung vorstelle und dann wieder hinschaue - wenn ich also mein Gehirn vorprogrammiere.
Aus einer zweidimensionalen Bewegung machen wir eine dreidimensionale. Denn in Wirklichkeit findet hier ja keine Drehung statt, sondern es ist nur ein kleiner Film zu sehen, indem sich der schwarze Schatten permanent in seiner Form verändert. Aus diesem Grund haben wir auch die Wahl, in welche Richtung diese imaginierte Drehung in unserem Gehirn repräsentiert werden soll.
Das folgende Bild ist auch ein zweidimensionales Bild. Doch wenn du auf dieses Bild einmal draufklickst, dann öffnet sich ein Fenster, in welchem zwei Bilder in schneller Reihenfolge hintereinander abwechseln - und dein Gehirn macht aus dieser Bewegung einen dreidimensionalen Eindruck. Selbst wenn du ein Auge dabei zuhältst und nur mit einem Auge schaust, hast du einen räumlichen Eindruck! Denn hier entsteht die Dreidimensionalität nicht durch das räumliche Sehen von zwei Augen, sondern durch die schnellen Bewegungen.
Du kommst anschließend wieder zur Empathie-Schule zurück, indem du das neu geöffnete Fenster wieder schließt.
Quelle: http://www.moillusions.com/wp-content/uploads/i207.photobucket.com/albums/bb234/vurdlak8/dino.gif
Das folgende Video spricht für sich. Hier gerät unser Gehirn in eine Zwickmühle und weiß nicht genau, wie es das nun interpretieren soll ...
Empathie für den Alltag (Verständnis für sich und andere)
Wir müssen viel mehr forschen und überprüfen,
wie die Welt „eigentlich“ ist - und zwar durch (viele) Bewegungen und Tests
(wobei wir uns auch bei Bewegungen täuschen könnten).
Dann wird unser Bild eventuell klarer - aber die "Wahrheit" haben wir immer noch nicht gefunden ...
Hier unten findet ihr ein Bild mit einem buntem Würfel. In diesem Fall helfen uns aber „Bewegungen“ gar nichts. Nur ein Vergleich in einem anderen Kontext. Hier müssen wir den Kontext ändern, um Klarheit zu bekommen.
Zunächst sieht es so aus, als ob die beiden eingekreisten Flächen unterschiedliche Farben hätten.
Ich habe sie ausgeschnitten und rechts am Bildrand zusammengefügt. Dann habe ich sie mit eine farbigen Fläche miteinander verbunden. Auf diese Weise können wir nachprüfen: Die beiden Farben sind identisch. Sie erscheinen für unser Gehirn nur unterschiedlich, weil sie sich in unterschiedlichen Kontexten / Zusammenhängen befinden.
Ein weiteres Beispiel für eine Täuschung aufgrund unterschiedlicher Kontexte findet ihr in diesem kleinen Film:
Das folgende Bild passt zum Thema. Hier ändert sich der äußere Kontext - von rechts nach links wird es heller.
Der Streifen in der Mitte ist aber in Wirklichkeit immer gleich hell. Das könnt ihr sehen, wenn ihr mit der einen Hand den oberen Rahmenteil und mit der anderen Hand den unteren Rahmenteil abdeckt, um den mittleren Streifen allein ohne Kontext / ohne Rahmen zu betrachten.
Weitere Täuschungen könnt ihr HIER erforschen.
Ein paar Täuschungen aus dem Hirnforscher-Alltag:
In einer Studie hat man getestet: Wenn man depressiven Menschen eine gleiche Anzahl von Beerdigungsfotos und Hochzeitsfotos zeigt, und man fragt sie hinterher "Von welcher Gruppe gab es mehr Bilder?", dann antworten sie, dass es mehr Beerdigungsbilder als Hochzeitsbilder gab.
Glückliche Menschen antworten, dass es mehr Hochzeitsbilder als Beerdigungsbilder gab.
In einer anderen Studie hat man getestet, wie lange Seminarteilnehmer brauchen, um einen langen Gang vom Seminarraum zum Pausenraum zu gehen, nachdem sie an einem Seminar teilgenommen hatten.
Handelte das Seminar von Themen der Altersbetreuung und wurde viel über alte Menschen gesprochen, dann gingen die Seminarteilnehmer wesentlich langsamer als nach einem Seminar mit sportlichen Themen.
In einer weiteren Studie testete man, wie die Testpersonen einen bestimmten Menschen beurteilten. Die Testpersonen, die kurz vorher eine warme Tasse Kaffee oder Tee in der Hand gehalten hatten, fällten ein Urteil, das tendenziell mit folgenden Worten beschrieben wurde: "großzügig, gutmütig, warmherzig und fürsorglich". Die Testpersonen, die vorher ein kaltes Getränk in der Hand gehalten hatten, beurteilten mit Worten so ähnlich wie: "geizig, abweisend, egoistisch und kaltherzig".
(Quelle: Gehirn und Geist, Ausgabe 4/2015, S. 21 ff.)
Als ich an einem Buch arbeitete und mich auf ein Beispiel konzentrierte, wo beschrieben wurde, wie ein Vater seine Tochter bestraft, ergab es sich "zufällig", dass ich durch einen lauten Krach in der Wohnung über mir aufgeschreckt wurde. Mein allererstes Gefühl war: "Gleich werde ich bestraft!" - erst kurz danach wurde mir bewusst, wie absurd dieses Gefühl war. Wieso sollte mich jemand bestrafen?
Mein Gehirn steckte in einer Bestrafungssituation drin und wurde von außen extrem stark angeregt und erschrocken. Dadurch fand zunächst eine spontane Projektion meines Gehirns auf diesen Knall statt: Bestrafung.
In unserer Gesellschaft sind wir Menschen es regelrecht gewohnt, dass man durch Fehler negative Folgen erlebt. Diese Gewöhnung führt zu einem bestimmten Permanent-Zustand im Gehirn, so dass wir Fehler immer wieder zu vermeiden suchen und Angst vor den Folgen von Fehlern haben - also auch Angst vor Fehlern haben. Dies bremst uns in unserem täglichen Verhalten. Wir wollen keine Fehler machen.
So gut wie nie ist das "Fehler machen" mit "Begeisterungsgefühlen" verknüpft. Doch das ist keine Natur - sondern ein angelernter Zustand im Gehirn, den wir auch wieder ändern können, wenn wir es wollen.
(Siehe dazu auch die Leseprobe aus meinem Buch "Meine Eltern sind schuld!")
Fazit:
Unsere Wahrnehmung hängt von dem Zustand ab,
in welchem sich unser Gehirn befindet.
Es gilt auch:
Wir stellen (absichtlich oder unabsichtlich) in unserem
Gehirn einen Zustand her, in welchen wir Signale
von außen einsortieren und sie dann unserem Zustand entsprechend bewerten.
Empathie für den Alltag (Verständnis für uns und für andere)
Wir müssen in jeder Situation mit einberechnen,
dass unsere Bewertungen, unser Urteil und unsere Wahrnehmung
durch den momentanen oder auch generellen Zustand unseres Gehirns mitbestimmt wird.
Alles ist immer subjektiv geprägt. Reine Objektivität gibt es nicht.
Was immer wir wahrnehmen und kommunizieren - dies tun wir immer als „subjektiver Beobachter“.
Das heißt auch: Es ist niemals nur der andere Schuld. Wir sind auch immer selbst mit Schuld an dem, was wir gerade erleben.
Durch diese Erkenntnis wird unsere Selbstreflektion geboren. Wir können also in JEDER Situation überlegen, was hier unser eigener Anteil ist, was unser Gehirn gerade der ganzen Situation beisteuert und was wir selbst daran ändern können.
Entdeckung unserer Selbstreflektion:
Wir können in JEDER Situation immer innehalten und nachdenken:
Was ergänzt mein Gehirn gerade?
Wie interpretiert es die Situation?
Und was kann ich daran ändern, damit es insgesamt stimmiger für mich wird?
Damit ist klar:
Wir sind niemals Opfer. Opfer-Sein ist eine Illusion unseres Gehirns.
Wir können immer etwas tun.
Und wenn wir uns doch als Opfer empfinden, dann immer nur als Opfer unseres eigenen Gehirnzustandes.
Entdeckung von Klarheit:
Unser Gegenüber kann in JEDER Situation immer innehalten und nachdenken:
Was ergänzt mein Gehirn gerade?
Wie interpretiert es die Situation?
Und was kann ich daran ändern, damit es insgesamt stimmiger für mich wird?
Damit ist klar:
Der andere ist niemals ein reines Opfer. Das Opfer-Sein ist eine Illusion seines Gehirns. Er kann immer etwas tun. Eine totale Schuldzuweisung vom anderen an uns ist immer unvollständig, weil er seinen Anteil daran ausblendet.
Und wir können Mitgefühl mit ihm haben und ihn ernst nehmen in seinem Leid.
Wir sind alle beeinflussende Beobachter. Deswegen empfehlen wir in dieser Empathie-Schule, dass man sich intensiv bemüht, seine 10% (Informationen von außen, die ins Gehirn kommen) dazu zu nutzen, um sein Gegenüber immer besser nachvollziehen zu können.
Empfehlung: Untersucht und erforscht die Täuschung des anderen Menschen ganz genau. Dies setzt gleichzeitig voraus, dass ihr euch immer bewusst seid, dass ihr euch auch permanent selbst täuscht.
Im nächsten Vortrag bieten wir euch ein Werkzeug an, euch selbst auf besonders allumfassend-positive Weise zu täuschen, also eine Gehirnprojektion herzustellen, die euch darin unterstützt, besonders allumfassend-positiv auf die Welt zu schauen, ohne dabei die Realität stärker zu verzerren als es sowieso schon passiert.
Gleichzeitig bietet dieses Werkzeug eine Möglichkeit, um zu eurem Unbewussten noch besser in Kontakt zu treten.
Bis dann!
Wenn du die ausführlichen Inhalte aller Veranstaltungen wie ein Buch nacheinander in der von uns vorgeschlagenen Reihenfolgen lesen möchtest, folge dem Link hier unten:
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